„Ich kann mich doch darauf verlassen, dass Sie das, was ich Ihnen erzähle, vertraulich behandeln?“ Diese Frage höre ich oft von meinen Kunden bei der ersten Kontaktaufnahme. Es ist eine Frage, die etwas ganz Wesentliches berührt: das Vertrauen. Wir Biographen sind ja mehr als Schreiber von Lebensgeschichten. Wir sind Zuhörer, oft Tröster, manchmal auch Beichtväter und -mütter. Wir tauchen ein in ein fremdes Leben, das uns in der Zeit der Zusammenarbeit immer näher rückt. Es entsteht ein Band zu diesem anfangs fremden Menschen, mehr als in jedem anderen Beruf. Ein Band, das aus Vertrauen gewebt sein muss.

Die Meldungen über die Kohl-Biographie, die im vergangenen Jahr durch die Medien gingen, haben mich erschreckt. 630 Stunden hatte Helmut Kohl über sein Leben gesprochen; 200 Tonbänder trug sein Biograph Heribert Schwan nach Haus. Einen Teil des Gesagten hätte der Altkanzler am liebsten zurückgenommen und wollte es keinesfalls in der Öffentlichkeit sehen. Schwan machte trotzdem ein Buch daraus, welches – gerade wegen des Vertrauensbruchs und des Medienhypes – rasch in die Bestseller-Listen rückte.

Ob das juristisch rechtens ist (worüber wohl immer noch diskutiert wird), interessiert mich nur am Rande. Wichtig ist für mich die moralische Ebene. Darf ein Biograph mit dem Material, das ihm ein Mensch anvertraut hat, machen, was er will? Ist es sein Eigentum, was er gehört und abgespeichert hat? Darf er entscheiden, was jemand von sich preisgeben möchte und was nicht?

Ich meine, dass wir Biographen eine hohe moralische Verantwortung tragen. Wir müssen das Vertrauen unserer Kunden sehr wichtig nehmen: Was in unsere Ohren dringt, ist wirklich nur für uns bestimmt. Wir müssen uns immer wieder deutlich machen, dass jeder Kunde uns das Wichtigste seines Lebens anvertraut, nämlich seine Erinnerungen und Erfahrungen, seine Wünsche und Gedanken, seine Meinungen und Hoffnungen, seine Persönlichkeit – sein Leben selbst. Wir sind dazu da, mit Zurückhaltung und Bescheidenheit ein Leben zu dokumentieren. Nicht mehr und nicht weniger.

Man muss Altkanzler Kohl weder mögen noch mit seiner politischen Heimat konform gehen. Aber dass er moralisch so übers Ohr gehauen wurde, ist wirklich schlimm. Etwas unter die Leute zu bringen, was der Auftraggeber oder Interviewpartner für sich behalten möchte, ist biographischer Raub.

Wir Leute vom Biographiezentrum kommen wohl selten in die Versuchung, etwas gegen den Wunsch und Willen unserer Kunden zu schreiben, denn in den allermeisten Fällen arbeiten wir für private Auftraggeber, und die Texte gelangen nicht in ein Verlagsprogramm. Aber nicht nur für uns, sondern auch für diejenigen Biographen, deren Texte in einem Verlag veröffentlicht werden, sollte die Devise gelten: Zuhören, schreiben – und schweigen.