Es war hier mehrfach die Rede von Kosten, die eine private Biografie verursacht. Die Beispielrechnungen kann ich voll bejahen, die Realität sähe oft noch wesentlich teurer aus, wenn man den gesamten Aufwand in Cent und Euro ummünzen würde. Ich möchte hier noch einen anderen Gedanken in den Vordergrund stellen: das Bewusstsein des Kunden bzw. des Interessenten als möglichen Entscheidungsfaktor pro oder kontra Biografieprojekt.

Seit mehr als zehn Jahren beobachte ich nun, wie Entscheidungsprozesse für oder gegen in Erwägung gezogene Autobiografien verlaufen. Manche Interessenten berichten stundenlang und hochinteressant am Telefon, was sie alles zu erzählen bzw. zu schreiben hätten, nehmen ihr Projekt aber nie Angriff. Andere sind schwer begeistert, machen vielleicht sogar schon die ersten Termine aus. Ich schicke ihnen vorab eine Liste mit Erinnerungsanregungen, damit sich der potenzielle Neukunde besser vorbereiten kann, und dann kommt unvermittelt eine Absage. Von den wenigen Fällen abgesehen, wo äußere Umstände offensichtlich der Grund dafür sind, ist doch oft klar, dass es weder an den äußeren Gegebenheiten noch an den zu erwartenden Kosten liegt.

Umgekehrt habe ich mehrfach erlebt, dass Interessenten, für die das Projekt finanziell eine wirkliche Herausforderung ist, nach dem ersten Gespräch sagten: „Mach ich. Wann können wir anfangen?“

Auch mit dem Thema „Schreibgruppe“ habe ich ein wenig experimentiert und genau aus diesem Grund einen lächerlich geringen Preis für ein Seminar genommen, weil ich sehen wollte, ob das vielleicht die Hürde ist, die Menschen daran hindert, in einem Kurs aktiv zu werden. Aber, ich wusste das eigentlich schon vorher, daran kann es nicht gelegen haben.

Inzwischen habe ich den Verdacht, dass sich viele Menschen davor scheuen, noch einmal so genau auf ihr eigenes Leben zu blicken oder in die Historie ihrer Familie einzutauchen. Denn, ja, man kriegt da einiges „auf die Bettdecke“. Da ist es leichter, die Autobiografien bekannter Menschen zu kaufen und zu lesen.

Seit Jahren geistert durch die Presse, private Autobiografien würden boomen. Ist das wirklich so? Oder schreibt ein Redakteur vom anderen ab, bis die Botschaft auch auf der  Lokalebene überall angekommen ist? Wozu gibt es Presseportale? Meine Erfahrung ist eher: Das Interesse ist groß, die meisten sind begeistert, aber es sind nur wenige, bei denen die nötigen Voraussetzungen zusammenkommen. Dazu gehören: innere Überzeugung und der dazugehörige Mut; ein Selbstwertgefühl, das es dem Interessenten erlaubt, sich so viel „Wichtigkeit“ zuzugestehen und die Bereitschaft, viel Zeit zu investieren – selbst wenn man die Erinnerungen schreiben lässt – und selbstverständlich auch das nötige Geld.

Das ist nicht als Kritik gemeint. Ich habe Verständnis für die oft vermutlich unbewussten Motive, sich schließlich gegen das zunächst anvisierte Biografieprojekt zu entscheiden. Denn so ein Erinnerungsprojekt sollte von Herzen kommen und mit voller Überzeugung angegangen werden. Wenn dafür nicht der richtige Zeitpunkt gekommen ist, dann lässt man es besser bleiben. Wollte mir jemand ein Projekt andienen, das ich zwar toll fände, für das ich aber nicht bereit wäre, würde ich mich doch auch dagegen entscheiden – sei das nun Tiefseetauchen oder Wandern im Himalaya. Ein ganz bestimmtes Bewusstsein für das eigene Leben und die Bedeutung der Familie sowie der richtige Zeitpunkt gehören meiner Meinung nach dazu, vermutlich aber auch die passende Konstitution, falls die Reise durchs eigene Leben oder das der Vorfahren anstrengend zu werden droht – wie Wandern im Himalaya oder Tiefseetauchen.

Immer wieder fasziniert bin ich dann von jenen, die zu Kunden geworden sind. Zufriedenheit und Dankbarkeit, oft auch die andernorts hin und wieder angesprochene Erleichterung, haben bisher immer den Schlusspunkt so eines gemeinsamen Projektes gebildet.

Beate Friedrich-Lautenbach
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