Als im April im Rahmen des „Literarischen Frühlings in der Heimat der Brüder Grimm“ viele Stars und Schriftsteller nach Nordhessen kamen, war auch Mario Adorf dabei – den meisten wohl „nur“ als Schauspieler bekannt. Tatsächlich ist sein Spektrum wesentlich größer: Unter anderem schreibt er Bücher, diesmal seine Lebenserinnerungen, womit wir ganz beim Thema wären.

Ich war eine von über 500 Zuschauern, die sich den Auftritt des 84-Jährigen in Frankenberg nicht entgehen lassen wollten. „Treten Sie nicht auf – kommen Sie herein!“ lautete der Titel der Veranstaltung, ein Zitat aus Adorfs Leben. Im Herbst soll das dazugehörige Buch erscheinen, doch wir durften schon jetzt fast zwei Stunden lang hören, sehen und genießen, was Mario Adorf so alles erlebt hat. Der große alte Mann erzählte ohne Eitelkeit, dafür mit Schwung, Humor und Selbsterkenntnis, wie er sich als Sohn einer alleinerziehenden Näherin Schritt für Schritt sein Leben als Schauspieler eroberte, und – man ahnt es schon: Es war nicht immer leicht. Schon als Vierjähriger hatte er seinen ersten Auftritt, und zwar als siebter Zwerg in einer Schneewittchen-Aufführung. Damals löste sich zu seiner Verzweiflung sein Wattebart, was zu Tränen führte. Während seines Studiums im Nachkriegsdeutschland musste er, um satt zu werden, ab und zu Lebensmittel stehlen. Als er als Regieassistent bei der Generalprobe für „Iphigenie auf Tauris“ fast alle Titel sang, weil die Schauspieler einer Grippewelle zum Opfer gefallen waren, wurde er für die Bühne entdeckt. Beim Vorsprechen in der Münchener Otto-Falckenberg-Schauspielschule fiel er von der Bühne – und bekam trotzdem seinen Vertrag…

Gewiss, es geht um einen Prominenten, doch konnte man auch hier – oder gerade hier – lernen, wie sich in der Rückschau ein Menschenleben noch einmal entfaltet, wie Fehler, Schwächen, Zufälle, aber auch Stärken, Menschlichkeit und Humor sich zusammenfügen zum Bild eines Mannes, der allen Hindernissen zum Trotz seinem Lebensweg unbeirrt folgte und das Glück hatte, zu seiner Berufung zu finden. Dabei entwickelte er im Laufe der Jahre und Jahrzehnte eine reife Persönlichkeit, mit der er auch und gerade im hohen Alter seine Mitmenschen fasziniert. Und so war es keine Sekunde langweilig, während Adorf nicht etwa nur las – nein, er sang Ausschnitte aus Opernarien, rezitierte, gestikulierte, sprach Dramenszenen und imitierte berühmte Kollegen, kurz: Er erfüllte zu unser aller Freude seine Erinnerungen noch einmal mit Leben und brachte uns immer wieder zum Lachen.

Ich hoffe und wünsche Mario Adorf, dass er noch viele gute Jahre vor sich hat. Was für ein Leben – was für eine Biografie!

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